Die Frau in der Karikatur 1906 – Zwischen Mode, Sitte und harter Arbeit – „Sitten-Fuchs Eduard“ als Kämpfer für die Frau – Die Lösung der Frauenfrage als Pflicht für alle – Ein Sammler als Pionier 21.9.2019
von Wolfgang Bräun (in Schwarzwälder Bote Wochenend-Journal vom 20. 9.19)
Er klingt wie ein Pamphlet, wie eine niederträchtige Schmäh- und Streitschrift, der erste Satz von Eduard Fuchs, mit dem er 1906 eines seiner buntesten Werke einleitet:
„Der beste Witz, den der liebe Gott bei der Erschaffung der Welt gemacht hat, war die Erschaffung des Weibes“.
Doch seien es all die Redakteure ihrer jeweiligen Zeit gewesen, die so lange am „göttlichen Ursprung gefeilt hätten“, bis alle „natürliche Harmonie des Geistes, der Seele und des Körpers der Frau“ verzerrt, zerstört und ins Gegenteil verkehrt waren.
Zynisch und teuflisch wie die „obersten Freunde und Bundesgenossen der Frau: Sitte, Moral und Anstand mit Hilfe von Mode und Erziehung… und in schmeichelhafter Liebenswürdigkeit.“
So kommt Eduard Fuchs in seinem üppigen Werk „Die Frau in der Karikatur“ gleich auch auf den Punkt:
„Die bekannteste, am lautesten geschmähte Verbrecherin an der köstlichen Schönheit der Weibes,so Fuchs, ist zu allen Zeiten die Mode gewesen.“
Die Herrschaft vieler wahnwitziger Moden haben die Frauen „zur Strecke gebracht.“ Die Wirkung der Mode-Frevel sei barbarischer gewesen als der sofortige Tod derer in kriegerischen Feldzügen.
Nach Fuchs war es um 1900 und viele Jahrzehnte zuvor der „korrumpierte Schönheitsbegriff … der bekleideten Frau“, mit dem gegen die wirkliche Schönheit gefrevelt wurde.
Fuchs verstand die Karikatur als „Echo-weckende und einflussreiche Demonstration des öffentlichen Gewissens“ und bezeichnet „die Frauenfrage als das wichtigste Problem der großen sozialen Frage, an dessen Lösung… mitzuarbeiten, Pflicht jedes einzelnen ist.“
Eduard Fuchs, Jahrgang 1870, geboren in Göppingen, begann als Redakteur beim „Süddeutschen Postillon“, sammelte Karikaturen, am liebsten von Honoré Daumier; und erwarb alte Grafiken und Keramik.
Aus dieser Leidenschaft wurden seine Publikationen über die politische und historische Karikatur auch die der „Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ in mehreren Bänden. Bei hoher Auflage brache ihm dies den Spitznamen „Sitten-Fuchs“ ein.
Zu Fuchs’ Sammlungen gehörte seine spezielle Bibliothek mit 6000 bis 8000 Bänden als Original-Ausgaben sowie kostbare Stiche und Einbände.
Fuchs wunderte sich 1906 nicht nur über die „körperliche Deformierung“, die die Mode den Frauen des gehobenen Milieus längst und immer wieder angetan hatte, ihn verwunderte auch das „Schlachtfeld der weiblichen Fabrikarbeit“ und die „Tragik des Hausfrauenloses“, die sich still, unauffällig und heimtückisch und eben unerbittlich vollziehe.Für die feine Dame, „die sorgenlos über Dienstboten gebiete, gilt das freilich nicht.“
Denn auch die ländlich weibliche Bevölkerung gerate in „die groteske Verhunzung des göttlichen Schöpfungswunders.“ Plump und ungeschlacht sei das Bauernweib einer Maschine gleich der zu bewältigenden Arbeit.
Und im gehobenen Milieu des Bürgertums „schickt sich manches nicht“, wenn der Backfisch bei strafender Verweisung ertappt wird, wie er verstohlen nach einem schmucken männlichen Altersgenossen schielt.
Fuchs‘ karikierende Wahrheit:
„…dass die Frau in allen Zeiten zu unerschöpflicher, niemals abgedroschener, doch immer neuer Satire in Wort und Bild geworden sei.“
Und so gelte als Maxime: nicht die allzu oft absurde Mode, sondern „die Frauenfrage ist nächst der Arbeiterfrage das wichtigste Problem der Gegenwart…“ Und dies schrieb Fuchs 1906.
Fuchsens Vita – Intellektueller, Kommunist und Feminist
Frivole Karikatur wird salonfähig
Während seiner kaufmännischen Lehre in einer Druckerei kam er in Kontakt zur Arbeiterbewegung, wurde recht jung ab 1890 Redakteur und machte sich einen Namen als politischer Karikaturist. Berühmt wurde Eduard Fuchs durch seine umfangreiche Sittengeschichte I – IV (1902 – 1912), illustriert mit süffisanten Bildern, die in der Bibliothek Berliner Reichstags oft die Bücher waren, die am meisten ausgeliehen wurden.
Wegen Majestäts-Beleidigung saß er mehrfach im Gefängnis, schrieb er doch auch beim „Vorwärts“ und gab satirische Zeitschriften heraus.
Einer der ihn noch lange nach Fuchs‘ Tode schätzte, war Fritz Weigle, alias F.W. Bernstein, bis 1999 einziger deutscher Professor für Karikatur an der Uni der Künste (UDK) in Berlin: „Ich schätze ihn, weil er die Karikatur in Deutschland salonfähig gemacht hat“.
Eduard Fuchs blieb jedoch dem „allgemeinen Publikum eher unbekannt“.
Fuchs‘ Werk
Die Karikatur der europäischen Völker. München 1904.
Die Frau in der Karikatur (1905).
Geschichte der erotischen Kunst (3 Bände, 1908 bis 1923)
Sittengeschichte (6 Bände, 1902 bis 1912; sie brachte ihm den Beinamen Sittenfuchs ein)
Der Weltkrieg in der Karikatur (1916).
Die Juden in der Karikatur (1921).
geriet erneut in den Fokus, als der Anschlag auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris die Welt entsetzte.
Die Karikatur war für Fuchs stets probate die Darstellung gegen sozialpolitische Ungerechtigkeit und immer auch ein Kampf „von denen unten gegen die da oben“.
Wenn auch damals doch weniger frech und unverschämt gegen Religion und Politik als die der Franzosen.
Eduard Fuchs, 1886 Mitglied der verbotenen Sozialistischen Arbeiterpartei, organisierte in München die Mai-Feiern, war Herausgeber der Satire-Zeitschrift „Süddeutscher Postillon“ und gab Karikaturen in Auftrag.
Fuchs galt als Feminist, er karikierte Ärzte und Juristen und machte Furore durch „Die europäische Sittengeschichte I-VI“.
Wegen der vielen Nacktheit darin war er sowohl geschätzt wie angefeindet. Sein Werk galt als pornografisch, wurde jedoch der oft freizügigen kultur-historischen Bilder wegen auffällig oft ausgeliehen. Seine seitenstarken Bücher verkauften sich gut, so dass Fuchs sich in Berlin eine Villa bauen ließ.
Großen Wert legte Fuchs auf den Druck seiner Bücher, er sammelte expressionistische Werke von Liebermann und Slevogt und Lithographien von Daumier.
Der Journalist, Schriftsteller, Historiker und marxistisch orientierter Kultur-Wissenschaftler kannte Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, arbeitete für den „Vorwärts“ und stand lange der KPD nahe, wandte sich jedoch ab und der KPO zu, der Kommunistischen Partei Opposition.
1933 floh er vor den Nazis ins Exil, seine Sammlung wurde beschlagnahmt und somit zu Raubkunst. 1940 starb er im Exil in Paris.
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